
Künstlerische Freiheit – laut Vertrag
Der Künstler ist in der Ausgestaltung seines Programms frei. Künstlerischen Weisungen von Veranstaltern oder eines Dritten unterliegt er nicht.
Berthold Brecht hat einmal gesagt: „Das Theater darf nicht danach beurteilt werden, ob es die Gewohnheiten seines Publikums befriedigt, sondern danach, ob es sie zu ändern vermag.“ Dies galt auch immer für die Clubkultur. Vom DJ wurde erwartet, dass er einen mit auf eine Reise nimmt, die man nicht konkret gebucht hatte. Am Ende wurde zu Musik getanzt, die man weder kannte, noch erwartete. Es war ein exklusives und unteilbares Abenteuer, was man nur hier erleben konnte.
Ab Anfang der Achtziger stand in den Clubs der DJ im Mittelpunkt; ganz im Gegensatz zu den Großraumdiskotheken. Er war der Zeremonienmeister, dem man vertraute. Er spielte die Zukunft voraus. Es war Aufbruchsstimmung. Nerds kamen weder zum Tanzen noch zum Flirten, sondern nur, um die Titel von den drehenden Labeletiketten abzuschreiben, um später im Plattenladen vergeblich danach zu fragen.
In den kommenden Jahren entwickelten DJs sowohl ein einzigartiges Image als auch einen Namen, die die Clubs füllten. Diese Namen, diese Musik und diese Kunst wurden von Veranstaltern gebucht. Heute ist dieser Vorgang mit einem eher seltsamen Verständnis für diese Kunst gepaart, und wie selbstverständlich gibt es vor dem Gig zum Beispiel solche Anweisungen (Originalzitat): „Bitte schön kommerziell … die Leute sollen sofort lostoben und Party machen … also nicht zu heftig und hart, schön die Hits und Best-Ofs … Geht das?“ Die Zeiten haben sich eben geändert. In der ehemaligen Kunst wird heute eine Dienstleistung gesehen. Veranstalter und Clubs scheinen den Erwartungen des Publikums zu folgen, dass begünstigt durch das Motto der Streamingportale mit klaren Vorstellungen vor die Haustür geht – wenn es überhaupt noch das Haus verlässt. „Wenn Du das gut findest, wird Dir sicher auch dies gefallen.“ Das Weggehen im Musik-Kontext war früher vielleicht eher eine Leidenschaft im Gegensatz zu dem gelangweilten „Was machen wir den heute Abend mal?“. Die Motivation ist heute eher die hintergründige Unterhaltung.
Sicher gilt das nicht für alle Szenen und Clubs und schon gar nicht für die heutigen gottgleichen Über-DJs, deren Gigs zu Konzerten wurden, wobei das auch meistens nichts mehr mit der Definition von Subkultur zu tun hat. Aber eine Tendenz ist seit Jahren unübersehbar. Und wenn Clubs wie aktuell zum Beispiel das KitKat oder das Sage in Berlin der Maximierung der Immobilien- und Mietpreise zum Opfer fallen, dann hat das auch damit zu tun, dass sich Clubkultur nicht mehr lohnt.
Dabei wird die Mainstream-Definition von Jello Biafra (Dead Kennedys) immer augenscheinlicher: „Wer dazugehören will, hört die Musik, die alle hören, denn niemand will ein Außenseiter sein. So funktioniert Mainstream: Die Musik gefällt den meisten Menschen nicht wirklich, sie erfüllt nur eine soziale Funktion.“ Der eigene Geschmack und die Abstinenz von Mitmachplattformen könnte in die Isolation führen.
Als Folge verhält es sich im Club vergleichsweise oft so, wenn Clubgäste dem DJ etwas sagen möchten: Jemand kommt in ein gut gefülltes italienisches Restaurant und brüllt den Koch an: „Schnitzel, mach’ mal Schnitzel! Das wäre mega. Schnitzel mögen alle!“
Ehemalige Star-DJs sind durch Geldmangel und heutige Minigagen leicht korrumpierbar. Die Wurst muss aufs Brot. Man hatte schließlich gedacht, die guten Zeiten würden nie zu Ende gehen. Dementsprechend ausschweifend war der charakterlich bedingte Lebensstil in besseren Zeiten. Dumm gelaufen.
So ist es im digitalen Zeitalter nur logisch, dass es Apps wie PSLY gibt, mit denen man sich aktiv am musikalischen Programm des DJs beteiligen kann. Auch ist die künstliche Intelligenz so weit, dass eine Software das DJ-Set alleine zusammenstellen und abspielen kann und dabei sogar die Stimmung im Publikum berücksichtigt.
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